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„Zur Linde“ schließt für immer

Die „Linde“ am 20. März zwei Stunden vor ihrer Schließung. – Foto: Thomas Steinberg

Für Junkers-Paddler war sie so etwas wie das zweite Vereinsheim – die „Linde“ in Vockerode. Nun hat die Gaststätte geschlossen. Früher als geplant. Und man muss befürchten, es wird keinen Neuanfang geben. Ein Nachruf.

Das Ende stand längst fest: Am 31. Mai sollte die Gaststätte „Zur Linde“ in Vockerode schließen. Aus „personellen und gesundheitlichen Gründen“, wie ein Zettel neben dem Eingang informiert.

Doch nun ist seit Sonntag Schluss, hat Gastwirtin Katrin Richter-Märtens die Tür zur „Linde“ verschlossen. Man muss befürchten: für immer. Etwa 300 Jahre wurden hier, an der heutigen Walderseer Straße, Bier ausgeschenkt und Speisen aufgetragen.

Es ist Sonntag, der 22. März. Zum Mittagessen sind nochmals einige Gäste gekommen, die meisten von ihnen Paddler aus Dessau. Sie bildeten eine Art Nachhut. Mit der Corona-Krise, sagt Katrin Richter-Märtens, blieben die Gäste aus. „Wir haben uns notgedrungen jetzt geschlossen.“ Seit Montag arbeitet sie selbst in einer Bäckerei. Ihre Eltern, Gisela und Hans-Jürgen Richter, verabschieden sich endgültig in den Ruhestand.

Am 8. April hätte Katrin Richter-Märtens 15-jähriges Jubiläum in der „Linde“ feiern können. Die Gaststätte, seit 1876 in Familienbesitz, aber über Jahrzehnte verpachtet, stand leer. Sie kam aus der Branche, auf der vorigen Stelle stimmte die Chemie nicht. „Da habe ich mich spontan entschieden, es zu machen.“

Die Herausforderung: „Die Linde“ hatte ihren Ruf weg, als Kneipe, in der gerne Trinker saßen. Vier, fünf Jahre waren nötig, das Image zu korrigieren.

Die Geschichte der „Linde“ lässt sich in einem Hefter nachlesen, den die Richters für interessiert Gäste zusammengestellt haben mit Informationen über Vockerode und die Umgebung. 1547 gab es demnach die erste Schenke in Vockerode, aber noch an anderer Stelle als die heutige „Linde“. Dort wurde um 1700 herum ein Gasthof erreichtet. Sein Name: „Zur schönen Eiche“. Eine Eiche stand auch auf dem Platz vor der Gaststätte. Und die brannte 1907 ab.

Der damalige Wirt Friedrich Richter ließ umgehend ein neues Gasthaus errichten. Von Eichen wollte er offensichtlich nichts mehr wissen, die Gaststätte heißt seither „Zur Linde“, und vor ihr steht ein Lindenbaum.

Zu DDR-Zeiten durfte die „Linde“ nach realsozialistischer Manier nicht mehr von der Familie Richter bewirtschaftet werden, die Konsum-Genossenschaft übernahm. Der Laden brummte, das nahe Kraftwerk und die Gewächshausanlage und 40 Pfennig für ein kleines Bier sorgten für einen zuverlässigen Gästestrom. „An manchen Tagen“, erinnert sich Hans-Jürgen Richter, „standen die Leute nach Bier an.“

In den vergangenen Jahren hatte sich das Publikum der „Linde“ mehr und mehr geändert. Die Vockerode wussten die Linde vor allem zu schätzen, wenn es etwas groß zu feiern gab und etwa der Angelverein einlud. Unter Truckern, die auf der nahebei verlaufenden A9 hatte sich auch herumgesprochen, dass man in der Linde gute Hausmannskost zu moderaten Preisen bekam. Im Sommer machten Radtouristen Station und manchmal hielten Reisebusse.

„Manchmal konnten wir uns vor Arbeit nicht mehr retten“, gesteht Katrin Richter-Märtens. Personal? Schwierig, wenn der Betrieb sich aufs Wochenende konzentriert. „Dann haben wir manchmal 18, 19 Stunden am Stück gearbeitet. Und Vati geht auf die 70 zu, Mutti ist 64, da habe ich die Reißleine für beide gezogen.“

Und nun? Am Sonntag wirkt Katrin Richter-Märtens aufgeräumt, sie scherzt mit den letzten Gästen und freut sich, dass es ihnen schmeckt. Aber, sagt sie dann, „es hängt schon was dran. Und es ist in gewisser Hinsicht traurig.“